Kollisionsrisiko: Temporeduktion schützt gefährdete Wale!

Hochrisikogebiet für Kollisionen

Nach der 7. Vertragsstaatenkonferenz des Abkommens zum Schutz der Wale und Delfine im Mittelmeer und Schwarzen Meer (ACCOBAMS) im Jahr 2019 schlugen Frankreich, Italien, Monaco und Spanien gemeinsam die Einrichtung eines PSSA im nordwestlichen Mittelmeer durch die IMO vor. Das PSSA wurde im Juli 2023 angenommen und trat im Januar 2024 in Kraft.

Als wichtigste Massnahme, um in der Region das Risiko von Kollisionen mit als stark gefährdet eingestuften Finn- und Pottwalen zu verringern, wurde eine Geschwindigkeitsreduktion für Schiffe identifiziert. Da nach aktuellem Wissensstand nicht vorhersehbar ist, zu welchem Zeitpunkt sich Individuen der beiden Walarten an gewissen Orten im nordwestlichen Mittelmeer aufhalten, fällt die Verlegung von Schifffahrtsrouten als geeignete Massnahme aus.

Warum Schiffe langsamer fahren müssen

Wissenschaftliche Analysen zeigen, dass das Risiko für tödliche Kollisionen mit Walen erheblich steigt, sobald Schiffe eine Geschwindigkeit von 10 Knoten überschreiten. Für das PSSA ist eine Reduktion der Schifffahrtsgeschwindigkeit auf 10 bis 13 Knoten vorgesehen, sobald ein Wal gesichtet wird. Diese Massnahme ist jedoch freiwillig und wird entsprechend wenig Wirkung erzielen.

Es ist bekannt, dass es nicht einfach ist, auf See einen Wal zu entdecken. Und selbst wenn ein Wal in der Nähe eines Schiffes, das mit üblicher Durchschnittsgeschwindigkeit fährt, gesichtet wird, ist es in den meisten Fällen praktisch unmöglich, die Geschwindigkeit rechtzeitig auf 10 bis 13 Knoten zu reduzieren, um eine Kollision zu vermeiden. Meist ist es dann auch zu spät für eine Kurskorrektur, sollte der Kapitän dazu bereit sein. Die freiwillige Massnahme ist auch dann wirkungslos, wenn Wale sich der Oberfläche nähern, dabei aber unbemerkt bleiben.

Analyse des Schiffsverkehrs innerhalb des PSSA

Um die aktuelle Situation hinsichtlich der Geschwindigkeiten einzelner Schiffe und Schiffskategorien erfassen zu können, hat OceanCare das französische Institut Quiet Oceans damit beauftragt, den gesamten Schiffsverkehr des Jahres 2023 in der PSSA-Region des nordwestlichen Mittelmeers zu analysieren. Die Analyse hilft zu verstehen, welche Schiffe und welche Schiffskategorien auf Grund des Fahrtempos ein besonderes Risiko für die Wale darstellen. Sie schafft zudem die Grundlage für eine engere Zusammenarbeit mit der Schifffahrtsindustrie, um gemeinsam Wege zu finden, eine Temporeduktion zum Schutz der Wale zu erwirken.

Nur 15 Prozent der von den sechs wichtigsten Handelsschiffskategorien zurückgelegten Strecken werden hinsichtlich des Kollisionsrisikos mit Walen  in „sicherem Tempo“ zurückgelegt. Im höheren Geschwindigkeitsbereich sind es insbesondere Roll-on/Roll-off-Schiffe, die mit zu hohem Tempo unterwegs und im Bereich über 20 Knoten vorherrschend sind.

Die Vereinbarung und Durchsetzung verbindlicher Massnahmen zur Reduzierung der Schiffsgeschwindigkeit ist eine der sechs Hauptforderungen an Regierungen weltweit, die OceanCare im Rahmen der Initiative Because our Planet is Blue erhebt. Eine Temporeduktion würde neben dem Risiko von Kollisionen mit gefährdeten Walen auch die ökologischen Auswirkungen der Schifffahrt reduzieren, da damit auch die Emissionen von Treibhausgasen, Luftschadstoffen und Unterwasserlärm erheblich verringert würden.

Hintergrundinformationen

Infografiken: Ergebnisse der Schiffsverkehrsanalyse im nordwestliche Mittelmeer (Englisch)

Pressemitteilung: Veröffentlichung der Schiffsverkehrsanalyse

Factsheet: Schiffe und Wale: Eine fatale Beziehung? (Englisch)

Konferenz: Reduzierung der Schiffsgeschwindigkeit im mediterranen Walmigrationskorridor (Englisch)