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Wandel bei der ISA: immer mehr Staaten für Tiefseebergbau-Moratorium

08. August 2024

Kingston, Jamaika – Am 3. August endete die Konferenz der Mitgliedstaaten der Internationalen Meeresbodenbehörde (International Seabed Authority, ISA) ohne eine Genehmigung für den Tiefseebergbau, mit einer immer größer werdenden Zahl an Staaten, die für ein Moratium bzw. eine Vorsorgepause plädieren, sowie mit einer neuen Generalsekretärin.

Highlights der dreiwöchigen Verhandlungen: eine genaue Prüfung des Finanzgebarens der ISA; keine Einigung auf ein Regelwerk für den Tiefseebergbau; erstmals in der ISA-Geschichte nahm ein Staatschef an der Konferenz teil, um sich für das Moratorium auszusprechen; und erstmals gab es eine formelle Debatte über die Notwendigkeit, eine generelle Leitlinie für den Schutz der Meeresumwelt zu beschließen.

Der Ruf nach einem Moratorium gewinnt immer mehr Rückhalt und wird nun bereits von 32 Staaten getragen. Die Teilnahme von gewichtigen politischen Persönlichkeiten, Vertretern indigener Völker sowie von Jugendlichen aus allen Erdteilen verlieh dem Einsatz gegen eine Freigabe des Tiefseebergbaus zusätzliches Gewicht. Und die Wahl einer neuen Generalsekretärin läutet eine neue Ära für die ISA ein.

Die Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) war während der gesamten Verhandlungen in Kingston und die Leiterin der Kampagne für ein Moratorium auf den Tiefseebergbau, Sofia Tsenikli, zieht Bilanz: „Jahrelang bewegte sich die ISA nur in ihrer eigenen Blase, machte Druck für den Bergbau und sperrte sich gegen die wachsenden Forderungen nach Vorsicht. Doch diese Generalversammlung markiert nun einen entscheidenden Wendepunkt für die ISA und die Moratoriumskampagne. Staaten und Gemeinden, die als erste vom Tiefseebergbau und seinen Auswirkungen betroffen wären, waren hier in Jamaika, um ihre Heimat und ihre Kultur vor dieser zerstörerischen Aktivität zu schützen, noch bevor sie beginnen kann. Wir applaudieren allen, die die Bemühungen um den Schutz unserer fragilen und lebenswichtigen Tiefsee vorantreiben.“

Malta, Honduras, Tuvalu, Guatemala und Österreich schlossen sich der stetig wachsenden Zahl von Ländern an, die einen vorsorglichen Stopp des Tiefseebergbaus forderten, da wir zu wenige wissenschaftliche Erkenntnissen über die Tiefsee haben, ein wirksames Regulierungssystems fehlt und der Bergbau mit einem hohen Risiko für die Meeresumwelt einherginge.

Die ISA-Generalversammlung wählte Leticia Carvalho zur neuen Generalsekretärin der ISA, die sich damit gegen den bisher amtierenden Generalsekretär Michael Lodge durchsetzte. Dadurch wurde ein neues Kapitel für die Institution aufgeschlagen, die dafür verantwortlich ist, die Tiefsee wirksam zu schützen und langfristig gesund zu erhalten.

Matthew Gianni, Mitbegründer der DSCC, beglückwünschte Carvalho und die brasilianische Regierung zu dieser historischen Wahl: „Die ISA kann für einen neuen Weg eintreten, der das Vorsorgeprinzip in den Vordergrund stellt und die Leistungen einer intakten Tiefsee auch für künftige Generationen sichert. Wir rufen die neue Generalsekretärin zu einer Schwerpunktsetzung auf, welche die Transparenz in der ISA verbessert sowie unabhängiger wissenschaftlicher Forschung, losgelöst von einer extraktiven Agenda, Vorrang einräumt, um ein umfassendes Verständnis der Tiefsee, ihrer Artenvielfalt und ihrer Ökosysteme sowie ihrer Rolle bei der Erhaltung der Gesundheit des Planeten für uns alle zu erlangen.“

Erstmals erörterte die ISA-Versammlung die Möglichkeit, allgemeine Bedingungen zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt festzulegen, die erfüllt werden müssten, bevor ein kommerzieller Tiefseebergbau in Betracht gezogen werden kann. Es wurde jedoch kein Beschluss gefasst, da einige Staaten, darunter China, Italien, Saudi-Arabien, Kuwait, Uganda und Ghana, sich weigerten, an der Entwicklung eines solchen allgemeinen Regelwerks mitzuwirken. Auf der anderen Seite wollte eine große Zahl von Staaten, darunter Chile, Palau, Vanuatu, Samoa, die Schweiz, Brasilien und Griechenland, den Schutz der Meeresumwelt in den Mittelpunkt der Generalversammlung als oberstem Organ der ISA stellen. Wir fordern die Generalversammlung auf, diese Diskussion im nächsten Jahr wieder aufzunehmen und eine allgemeine Politik zum Schutz dieser empfindlichen Ökosysteme zu entwickeln.

Der Fachmann für internationales Recht im DSCC, Duncan Currie, erklärte: „Eine Diskussion über den Schutz der Meeresumwelt auf der ISA-Generalversammlung ist angesichts der Umweltprobleme im Zusammenhang mit dem Tiefseebergbau längst überfällig. Als oberstes Organ der ISA ist sie nach dem UN-Seerechtsübereinkommen befugt, eine solche allgemeine Politik festzulegen. Wir sind enttäuscht, dass dies in diesem Jahr nicht gelungen ist, aber wir freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Staaten bei der Ausarbeitung einer allgemeinen Politik zum Schutz und zur Erhaltung der Meeresumwelt bis zum nächsten Jahr.“

Eine Einigung auf ein Regelwerk für den Tiefseebergbau blieb in weiter Ferne – das ist ein Rückschlag für die Bergbauunternehmen. Die unrealistische und artifizielle Roadmap 2025 liegt aber weiterhin mit über 30 ungelösten, unentschiedenen oder nicht erörterten Regulierungsfragen auf dem Tisch.

Emma Wilson, Policy Officer der DSCC, dazu: „Jetzt wo unabhängige Wissenschaftler auf die Risiken des Tiefseebergbaus und das Fehlen eines soliden wissenschaftlichen Verständnisses der betroffenen Ökosysteme hinweisen, ist es an der Zeit, dass sich die Staaten von den technischen Aspekten des Bergbauregelwerks verabschieden und sich stattdessen mit einer grundlegenden Frage befassen: Ist es sicher oder nicht sicher, diese Industrie unter den gegenwärtigen Umständen weitermachen zu lassen? Die überstürzte Verabschiedung eines Regelwerks, das einer äußerst zerstörerischen Tätigkeit in einem Gebiet, über das wir nur wenig wissen, Tür und Tor öffnen würde, ist äußerst verwegen und birgt die Gefahr, unser Meer und unseren Planeten irreparabel und dauerhaft zu schädigen.“

„In den letzten Wochen haben wir bei den Sitzungen der Internationalen Meeresbodenbehörde einen zunehmenden Widerstand gegen den Tiefseebergbau erlebt. Schon zu Beginn dieses Jahres hatte die Bonner Konvention über wandernde Tierarten mit 133 Vertragsparteien die ISA-Vertragsparteien aufgefordert, den Tiefseebergbau nicht zu unterstützen, solange keine ausreichenden wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, um negative Auswirkungen auf marine Tierarten und ihre Lebensräume zu verhindern. Da so viel auf dem Spiel steht, ist es wichtig, dass die ISA-Mitglieder ebenfalls das Vorsorgeprinzip walten lassen. Wir müssen uns entschieden gegen alle Versuche wehren, diese Büchse der Pandora zu öffnen“, bekräftigt Fabienne McLellan, Geschäftsführerin von OceanCare.

Lesen Sie die Pressemitteilung der Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) hier.